Der knuffige Hamburger Flughafen | Airportdesign in Bewegung

Beitrag zum Tagungsband Animated Architecture. Movement and Mobility in the Experience of Modern Architecture and Design, hrsg. von Atreju Allahverdy und Thomas Moser, Wien 2025

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Aufsatz
2023–2025
eingereicht
20.08.2024

Abstract

Bereits der ältere Hamburger Flughafen kleidete sich motivisch in einen Ort der Bewegung und ist aus kunsthistorischer Sicht etwas ganz Besonderes gewesen: Das von Friedrich Dyrssen und Peter Averhoff 1928–1929 gebaute Verwaltungs- und Abfertigungsgebäude war bis 1993 das weltweit älteste Terminal in Funktion. Diese inzwischen abgerissene Inkunabel der Architekturgeschichte galt als innovativster Flughafen der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Hier wurden erstmalig die verschiedenen Funktionen des Innenraumes in separate Zonen gegliedert. In Erwartung großer Besucherzahlen bei Flugschauen hatten die Architekten den terrassenförmigen Bau als Reminiszenz an ein Amphitheater formuliert. Seine geschwungene Form erinnerte uns Hamburger zugleich an den Alsteranleger am Jungfernstieg.

Auch für die Architektur des gegenwärtigen Flughafens der Hansestadt wählte das Architektenteam gmp (von Gerkan, Marg + Partner Brauer) ein Motiv der Bewegung. Das 1990–1993 gebaute Terminal 4 (jetzt 2) und der 2005 eröffnete Ergänzungsbau Terminal 1 sowie die AirportPlaza von 2008 sind geformt wie Segmente einer Flugzeugtragfläche. Und doch bildet eben diese hier die einzige Fassade, eine Reduzierung durch welche die Schwerkraftsarchitektur endgültig überwunden scheint. Denn mit Beginn der Flugerfahrung bekam das Dach einen frontalen Wert, indem es zur fünften Fassade wurde. Wenn das horizontale Dach so hervorgehoben wird, zeigt sich die Vertikale in ihrer Wirkung geschwächt: „Die Folge ist das stereometrische System: die Architektur wird nicht mehr aus dem Boden wachsen, sie wird einfach auf dem Boden liegen.“ (Fritz Wichert, 1909).

Aus motivischer Sicht gehört der heutige Hamburger Flughafen also zu einer Gruppe von Luftfahrtbauten, die das Fliegen selbst zum Gegenstand ihrer Formensprache macht. Dieses naheliegende Thema findet sich weltweit unter drei Gesichtspunkten vorgetragen: der Nachbildung von allerlei Fluggerät, der Besinnung auf den Tierflug sowie dem Aspekt, einer stärker abstrahierenden Reflexion über die physikalischen Gesetze und die Philosophie des Fliegens Ausdruck zu verleihen.

Inzwischen stand der Hamburger Flughafen zudem Pate für den Knuffingen Airport Helmut Schmidt im Miniatur Wunderland Hamburg, das von der Deutschen Zentrale für Tourismus bereits wiederholt zur beliebtesten Sehenswürdigkeit des Landes gewählt wurde. Anhand dieses Glücksfalls derselben benachbarten Bauaufgabe in Groß und Klein, versucht der Beitrag einen Überblick zur Ikonographie bewegten Airportdesigns.

Literatur

  • Ralph Knickmeier, überFLÜGE, in: Nicole Hegener/ Claudia Lichte/ Bettina Marten (Hrsg.): Curiosa Poliphili. Festgabe für Horst Bredekamp zum 60. Geburtstag, Leipzig 2007, S. 114–122
  • Ralph Knickmeier, Flughafenbau als Bildakt | Picturing Airport Architecture, in: Roman Bönsch (Hrsg.): VIE Metamorphosis. Die Veränderung des Flughafen Wien | The Extension and Transformation of Vienna Airport. 2004–2012, Deutsch/ Englisch, Wien 2012, S. 280–287
  • Ralph Knickmeier, Touch-down in Wien | Wie viele Zeichen, Farben und Bilder verträgt ein Flughafen?, in: Maria Effinger/ Stephan Hoppe/ Harald Klinke/ Bernd Krysmanski (Hrsg.): Von analogen und digitalen Zugängen zur Kunst: Festschrift für Hubertus Kohle zum 60. Geburtstag, Heidelberg: arthistoricum.net, 2019, S. 399–408